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Stand: 26.09.2023 12:52 Uhr
Südkoreas Präsident Yoon hat die Politik seines Landes gegenüber dem Norden grundlegend verändert. Stand sein Vorgänger eher für Annäherung, denkt Yoon laut über nukleare Bewaffnung seines Landes nach.
Von Bernd Musch-Borowska, ARD Tokio
Gleich nach seinem Amtsantritt im Mai vergangenen Jahres gab Südkoreas Präsident Yoon Suk-Yeol der Politik seines Landes gegenüber dem verfeindeten Bruderstaat im Norden eine grundlegend neue Richtung.
Nachdem sein Vorgänger Moon in seiner fünfjährigen Amtszeit eine Annäherung mit Nordkorea verfolgte und auf gute Beziehungen zu Machthaber Kim Jong Un setzte, kündigte Yoon schärfere Reaktionen auf Provokationen aus dem Norden an.
Verbales Säbelrasseln mit Folgen
Raketentests und Übungen der nordkoreanischen Nuklearstreitkräfte sowie kleinere Angriffe auf militärische Einrichtungen im Süden Koreas sollten nicht mehr unbeantwortet bleiben.
Bereits in seinem Wahlkampf hatte Yoon sogar von einem möglichen militärischen Erstschlag gegen Nordkorea gesprochen, woraufhin Kim gleich nach dem Wahlsieg des südkoreanischen Hardliners eine Serie von Raketentests startete und mit der Vernichtung eines jeden Angreifers drohte.
Liberale Demokratie laut Yoon in Gefahr
Seitdem hat die Häufigkeit militärischer Provokationen Nordkoreas zugenommen und nach Einschätzung von Experten auch die Gefahr einer weiteren Eskalation. Insbesondere die vom südkoreanischen Präsidenten Yoon lautstark verkündete Politik der Vergeltung steigere die Gefahr, heißt es.
Im Dezember vergangenen Jahres ordnete Yoon an, jede militärische Provokation Nordkoreas zu bestrafen und dabei keine Angst zu haben vor den Atomwaffen des Nordens.
Bei einer Rede vor Soldaten stellte er erst kürzlich wieder die große Gefahr heraus, die von Nordkorea ausgehe. "Nordkorea verstärkt seine Drohgebärden gegenüber uns, durch sein Atomprogramm, seine Raketenkapazitäten und offene Ankündigungen eines Angriffs auf Südkorea."
Darüber hinaus gefährdeten kommunistische Kräfte und ihre Anhänger zusammen mit anderen Staatsfeinden durch Propaganda und Manipulationen die liberale Demokratie seines Landes.
Südkoreas Präsident Yoon warnte in seiner Rede vor der jüngsten UN-Vollversammlung in New York vor der Gefahr eines Atomkrieges, die von Nordkorea ausgehe, insbesondere jetzt, nach der engeren Kooperation mit Russland.
Eskalation denkbar
Diese Politik sei gefährlich, sagte der pensionierte General der südkoreanischen Streitkräfte, Chun In-bum, in einem Zeitungsinterview. Das Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" könne schnell zu einer Eskalation führen und das könne angesichts der nordkoreanischen Atomwaffen in einer Katastrophe münden, so der Militärexperte.
Südkoreas Präsident Yoon warnte in seiner Rede vor der jüngsten UN-Vollversammlung in New York vor der Gefahr eines Atomkrieges, die von Nordkorea ausgehe, insbesondere jetzt, nach der engeren Kooperation mit Russland.
"Das Atomprogramm Nordkoreas ist nicht nur eine direkte und existentielle Gefahr für Südkorea, sondern eine ernsthafte Herausforderung für den Frieden in der Indopazifik-Region und der ganzen Welt", erklärte Yoon. Mit Blick auf die Rolle Russlands schloss er an:
Paradoxerweise ist ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, das doch ein Hüter des Weltfriedens sein sollte, verantwortlich für den Einmarsch in ein anderes souveränes Land und für den Waffenhandel mit einem Land, das offen UN-Resolutionen missachtet.
Nukleare Bewaffnung
Dabei hat auch Yoon schon eine nukleare Bewaffnung Südkoreas ins Gespräch gebracht und eine innenpolitische Diskussion über das Thema angestoßen. Und er hat in dieser Frage offenbar großen Rückhalt in der Bevölkerung.
Nach einer Studie des Asan Instituts für politische Studien, einem südkoreanischen Think-Tank, befürworten mehr als 60 Prozent der Südkoreanerinnen und Südkoreaner eine nukleare Bewaffnung des Landes.
Dabei gilt ein solcher Schritt als höchst unwahrscheinlich, weil selbst der engste Verbündete, die USA, eine nukleare Bewaffnung Südkoreas nicht unterstützen und sich stattdessen, wenn auch bislang vergeblich, für eine Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel einsetzen.
Kritiker zu Staatsfeinden erklärt
Yoons politischer Kurs ist geprägt von einem Rechtsruck, angetrieben von einflussreichen konservativen Politikern und Historikern, die die autoritäre Geschichte des Landes in ein besseres Licht stellen wollen.
Kritiker dieser Entwicklung und der Politik der Regierung werden von Yoon als Kommunisten und Staatsfeinde beschimpft. Auch die Ernennung von Kim Yung-ho, einem Mitglied der neuen Rechtsbewegung zum Vereinigungsminister, einem wichtigen Posten im Kabinett, ist Ausdruck dieser Entwicklung.
Gesunken Umfragewerte
In der Bevölkerung ist das Ansehen des Präsidenten in den vergangenen Monaten gesunken. Jüngste Umfrageergebnisse des US-Meinungsforschungsinstituts Gallup zeigen, dass nur noch 32 Prozent der Bevölkerung hinter der Politik stehen, über 57 Prozent sind mit der Regierung unzufrieden.
Die Situation auf der koreanischen Halbinsel sei ein Beispiel für einen rasanten Anstieg der Gefahr einer unbeabsichtigten Eskalation eines festgefahrenen Konflikts, heißt es in einer Studie des Stimson Centers, eines US-Think-Tanks in Washington.
Um einen offenen Konflikt zwischen den beiden Nachbarstaaten zu vermeiden, seien vielfältige Maßnahmen für Risikominimierung und Vertrauensbildung notwendig.
Hilfe in Aussicht gestellt
Ungeachtet der härteren Gangart gegenüber Nordkorea hat Südkoreas Präsident Yoon aber auch einen umfassenden Wirtschaftsplan vorgelegt, mit einem weitreichenden Hilfspaket für den Norden, sollte die Regierung in Pjöngjang auf seine Atomwaffen verzichten und einer Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel zustimmen.
Angesichts der großen Unwahrscheinlichkeit, dass Machthaber Kim auf dieses Angebot eingeht, kann der Plan nur als politischer Schachzug von Südkoreas Präsident Yoon betrachtet werden.
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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. August 2023 um 19:05 Uhr.